Blinddegustation II: Einfluss der Flaschengrösse auf den Geschmack eines Weins

Blinddegustation II: Einfluss der Flaschengrösse auf den Geschmack eines Weins

Neben Blinddegustationen verschiedener flaschenvergorener Schaumweine (Schweizer Schaumwein vs Champagner, englische Schaumweine vs Champagner...) ist auch die Blind-Degustation innerhalb einer Region oder in einer Vertikale (verschiedene Jahrgänge eines Weins des gleichen Produzenten) spannend.

Oft vergessen geht aber die Flaschengrösse. Der gleiche Wein (gleiche Assemblage und gleiche Lagerung!) kann alleine durch die Wahl des Flaschenformats anders schmecken und reifen. Dies ist besonders bei flaschenvergorenen Schaumweinen auffällig.

Zufällig hat der deutsche Weinexperte konstantin Baum MW auch dieses Thema in einem kürzlichen YT-Video aufgenommen und besprochen:


In unserem längeren Blog-Beitrag zu Champagnerwissen hatten wir dieses Thema ebenfalls aufgegriffen. Der entsprechende Auszug (Kapitel 2.4) für Interessierte:

Wahl der Flaschengrösse und des Verschlusses während der Hefelagerung (zweite Gärung).

Nebst der erwähnten Hefewahl (Zuchthefe oder wilde Hefe?) ist die Flaschengrösse und die Wahl des Verschlusses wichtig:

Flaschengrösse: Die Flaschengrösse hat einen Einfluss auf den Alterungsprozess und die Aromatik eines Schaumweins, da bei einer kleineren Flasche der Luftanteil prozentual viel höher ist als etwa bei einem Magnum- oder Doppelmagnum (Jeroboam)-Format. Grundsätzlich sollte der exakt gleiche Grundwein aus einer grösseren Flasche (das heisst mit prozentual weniger Sauerstoffanteil) frischer/jünger und teils sogar vielschichtiger schmecken.

Es lohnt sich also für grössere Anlässe oder Tischrunden 1.5L-Magnumflaschen anstelle von "normalen" 0.75L-Flaschen zu verwenden; dies gilt generell für alle Arten von Wein, nicht nur für Schaumweine.

Keine Regel ohne Ausnahme: Ab einer Flaschengrösse von 3L darf auch in der Champagne das sogenannte Transvasierverfahren angewendet werden. Das heisst der Wein wird in "normalen" 0.75 L-Standardflaschen gereift und erst am Schluss in grosse Formate umgefüllt; für Standardflaschen ist das in der Champagne verboten. Die vermeintlich höhere Komplexität bei Aroma und Geschmack aus solchen Grossformaten ab 3L ist also gar keine. Nur die allerwenigsten Hersteller nehmen sich die Mühe und reifen alle ihre Formate bis zu den Kolossen in der "finalen" Zielflasche, ein nennenswerter Spezialist in dieser Hinsicht ist das Haus Drappier.

Der Grund dafür ist naheliegend: Das Rütteln der Flaschen und andere Herstellabläufe sind bei solchen riesigen Formaten viel aufwändiger und können nicht wie bei Standardflaschen automatisiert werden. Darum kosten diese Formate prozentual auf die gleiche Abfüllmenge berechnet auch mehr als die gleiche Menge Wein aus Standardflaschen.
flaconnage_depng
Verschlusswahl: Hier besteht die Wahl der Lagerung auf Kronkorken (heute in den allermeisten Fällen verwendet) oder auf Naturkork (nur noch sehr selten, etwa bei Herstellern wie Bollinger oder Alfred Gratien für Teile des Sortiments). Im Bild unten sind Reserveweine von Bollinger (in Magnumflaschen unter Naturkork gelagert) zu sehen die für eine spätere Assemblage mit anderen Weinen geöffnet werden:

bollingerjpg

Auch Kronkorken sind übrigens minimal luftdurchlässig, weshalb einige Hersteller nun unterschiedlich dicke Kronkorken (je nach Dauer der Lagerung bis zum geplanten Degorgierzeitpunkt) verwenden [1]. Diese Tatsache ist noch nicht sehr lange bekannt. Früher nahm man an dass Kronkorken praktisch keinen Luftaustausch bzw. -durchlass haben.

Darüber hinaus setzen immer mehr Hersteller auf einen dünnen bzw. dünneren Flaschenhals beim Design ihrer Champagnerflaschen um den Luftaustausch weiter zu minimieren.


Fussnoten:

[1] Der Kellermeister von Ruinart bespricht die Wahl unterschiedlicher Kronkorken beispielsweise hier:

"‘With bottles lying flat you have the fastest fermentation.’ He uses two crown cap liners with different levels of permeability to oxygen, one for non-vintage and the other for vintage.'"

(Quelle)