Rückblick: Jubiläumstasting: 15 Jahre Champagner-Jahrgang 2008 in Bern

Rückblick: Jubiläumstasting: 15 Jahre Champagner-Jahrgang 2008 in Bern

Ende Oktober 2023 wagten sich die Amis Champbernois nach 15 Jahren an den sagenumwobenen Jahrgang 2008. Seit 1996 und darauf 2002 erhielt kein Jahrgang in der Champagne mehr Vorschuss-Lorbeeren von führenden Kritikern. Stellvertretend zitieren wir etwa Essi Avellan MW, welche sich als Master of Wine auf höchstem Niveau auf die Region Champagne spezialisiert hat:

Champagne Vintage 2008 (5/5 stars)

Initially a difficult, damp year with widespread mildew, expectations for 2008 were low. However, drier conditions in August and a fine, warm September with cool nighttime temperatures proved to be the saving grace. Harvest began on September 15th and it quickly became known as an outstanding year, due to the finesse brought about by the fine, saline freshness and purity of fruit. The 2008s are coolly fruity, classically-styled wines with notable acidity balanced by sound ripeness achieved by a long and slow ripening. The abundant vintage (yielding 14,231 kg/ha) favoured all three varieties, particularly Pinot Meunier. A dream-come true vintage in many aspects, 2008 is especially celebrated for the prospected longevity of its best Champagnes.

Unser Fazit nach der Degustation ist eventuell wenig überraschend: Wir stimmen Frau Avellan praktisch ausnahmslos zu. Fast alle Weine zeigten sich auf höchstem Niveau. 

Die Verkostung im visuellen Ueberblick (Abfolge von links nach rechts), anschliessend folgen einige kurze Notizen eines Teilnehmers:
markuskirche_2008jpg
(Fotoquelle: Dustin "Swiss Champagne Guy" Salvisberg, vielen Dank; auf dem Bild fehlen das Bier und der Ratafia zum Dessert).

Gaumenerfrischer: Zum Start und als Apero
Dechannes Essentielle B.2020 (danke Dustin)
Cantillon Rosé de Gambrinus (Bier 75cl, von der Karte Markuskirche.)

Serie 1a - Vintage Grower Blends
Vincent Brochet 3gr 2008 (danke, Simon)
Lacourte-Godbillon 2008

Serie 1b - Maison Vintage Blends
Laurent Perrier 2008
Louis Roederer 2008

Serie 2 - Blanc de blancs
Delamotte 2008
Mandois Cuvée Victor 2008
Taittinger Comtes de Champagne 2008

Serie 3 - Underrated?
Michel Arnould Mémoire de Vignes 2008
Drappier Grande Sendrée 2008

Serie 4 - Bollinger vs Bollinger
Bollinger La Grande Année 2008
Bollinger R.D. 2008 (danke, Bruno)

Serie 5 - Trilogie: Grosse Namen
Dom Pérignon P1 2008
Rare 2008 (früher Rare Piper-Heidsieck, danke Dustin)
Krug Grande Cuvée Edition 164 (Basis 2008, einziger NV/MV im Tasting) - Krug ID: 316028

Rosé als Pre-Dessert
Charles Heidsieck 2008 Rosé (danke, Dustin)

Zum Dessert
Ratafia de Champagne 1990-2016 Solera 50cl von Henri Giraud (von der Karte Markuskirche)

Wir bedanken uns bei Bar & Restaurant Markuskirche für die Gastfreundschaft und den 5-Gänger. Bereits die Austern zum Start in den Abend erwiesen sich als ein sehr passendes und klassisches Pairing.

Erkenntnisse und kurze Notizen: Wein des Abends? Sehr schwierig, durchwegs hohes Niveau (keine Korkfehler sowie keine anderen problematischen Flaschen oder Weinfehler). Für den Schreibenden persönlich ein grosser Favorit war der Comtes de Champagne 2008 von Taittinger. Dicht gefolgt vom Krug GC Edition 164. Der Rare 2008, der Charles Heidsieck Rosé 2008 und der "normale" Louis Roederer Vintage 2008* gefielen ebenfalls sehr. Auch die restlichen "normalen" Blends (siehe Serie 1a und 1b) zeigten eine sehr tolle Preis/Leistung; ebenso die zwei restlichen Blancs de Blancs aus Serie 2 (Delamotte und Mandois), obwohl sie natürlich gegen den Ueberflieger Comtes de Champagne 2008 einen schweren Stand hatten.

Einzig der Michel Arnould (der einzige Blanc de Noirs) fiel im Gaumen ohne Länge schnell ab, dies nachdem er in der Nase eine so tolle Pinot Noir-Frucht zeigte. Dagegen bestätigte der Drappier seinen Ruf als Underdog in der Sparte kleinere Häuser - ca. ein Drittel des Weins wird im Holz ausgebaut in der ersten Gärung. Akazien, Wachs und Honig dominierten diesen tollen Champagner.

Der Bollinger R.D. 2008 war mit einem der neuesten Degorgierdaten (Ende Oktober 2022, also erst vor ziemlich genau einem Jahr) wohl noch etwas (zu?) jung bzw. verschlossen - dies insbesondere im Vergleich zu seinem sehr trinkbereiten und fruchtigeren "kleinen Bruder" Bollinger LGA 2008 (beide im Direktvergleich in Serie 4 verkostet, siehe oben). 
Auch der Dom Pérignon 2008 zeigte sich noch etwas verschlossen, aber schon deutlich trinkbereiter als kurz nach seinem Marktstart 2019-2020. Beides Champagner-Giganten im Tiefschlaf, die man wohl erst in 5 bis 10 Jahren (bei korrekter Lagerung!) oder noch später aufwecken und trinken sollte? Time will tell, aber wahrscheinlich ist das eine treffende Prognose.

Auf jeden Fall sind viele 2012-Champagner (unserer Meinung nach ist 2012 der nächste sehr gute Jahrgang nach 2008 in der Champagne, so sehen es auch die meisten Weinkritiker) bereits jetzt - also Ende 2023 - viel trinkbereiter als ihre Pendants aus dem Jahr 2008. Das alleine zeigt die unglaubliche Langlebigkeit, die der Champagner-Jahrgang 2008 noch vor sich haben wird in den nächsten Jahren - oder teils sogar Jahrzehnten!

Ein Ausblick als Idee zum Abschluss: Idealerweise sollte man eine ähnliche 2008er-Degustation eines Tages mit Flaschen im Magnum-Format wiederholen.


* Auf einen Louis Roederer Cristal 2008 wurde bei der Degustation verzichtet, da wir keine Flasche mehr vorrätig hatten; die Cristal-Neupreise bewegen sich (wie bei fast allen anderen 2008-Champagnern mit klingenden Namen) mittlerweile leider in schwindelerregende Höhen.